Sarah Viana Autorin Blog Reisen Irland Nutzen und Verschwendung

Irische Tagebücher – 6 Nutzen und Verschwendung


Sarah Eichler

Take off your shoes now
You’ve come a long way
You walked all these miles
And now you’re in the right place

This is your party
Everyone came
Everyone’s smiling
And singing your name

And the nightmares and monsters
Your biggest fears
Seem lightyears away
No, they won’t find you here

I’ll hold your hand, my dear
Make sure no one’s gonna wake you
Tomorrow you’ll still be here
No matter where your dreams will take you

And you realize
All the falls and flights
All the sleepless nights
All the smiles and sighs
They brought you here
They only brought you home

BOY

Zeitraffer.

Dezember.

Ich sitze im Flugzeug nach Glasgow, Schottland. Wieder ein neuer Ort, der mir vollkommen unbekannt ist und der nie auf meiner zukünftigen Orte-to-see-Liste aufgetaucht ist. Doch da dort hauptsächlich WELT in Großbuchstaben steht, gehört das ja auch irgendwie dazu.

Noch immer ist Fliegen mit einer unumstößlichen Hassliebe verbunden. Vor dem Start, während des Fluges und durch die gesamte Landung hinweg wünsche ich mir mehr als siebenmal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und versuche mich jedes Mal davon zu überzeugen, dass ich Vertrauen habe. Und doch bezahle ich ebenfalls jedes Mal die 6 Euro extra, damit ich meinen Platz am Fenster selbst aussuchen kann. Und einmal über den Wolken angekommen, kann ich diese atemberaubende Schönheit und Wunderlichkeit kaum fassen.

Doch diesmal habe ich jemanden neben mir, der tapfer dem Schmerz widersteht, wenn ich beim kleinsten Ruckeln des Flugzeugs seine Hand quetsche und der mich belustigt und ungläubig ansieht, wenn ich zwei Sekunden später, juchzend vor Freude und mit der Begeisterung eines Kindes, Fotos des Sonnenaufganges über den Wolken schieße. Vinícius, der Brasilianer von Halloween, ist nun schon sein einem Monat der begeisterte Entdecker an meiner Seite und lebt mit mir die Freude von Abenteuern und Veränderung.

Aus einem Gefühl heraus und mit dem Wunsch der zunehmenden Beständigkeit in meinem Leben entgegen zu wirken, frage ich ihn Anfang Dezember, ob wir zusammen wegfahren wollen. Und just eine Woche später geschieht etwas, dass sonst nie passiert: er hat drei Tage am Stück frei. Also sagt er ja. Wir planen nichts, suchen einfach nach Flügen an besagtem Datum und wählen den billigsten: Glasgow.Warum auch nicht? Warum nicht den Zufall oder das Schicksal entscheiden lassen? Wer weiß, warum es ausgerechnet Glasgow sein soll. Als ich nach Irland kam, wusste ich auch nicht, warum ich mich ausgerechnet für dieses Land entschieden hatte und es gab einige Dinge, die mich durchaus in Deutschland hätten halten können. Doch es zog mich auf die grüne Insel. Und dieser Art von Rufen sollte man folgen.

Wir fliegen also nach Glasgow. Doch seine Hand muss nicht lange leiden, da die Maschine nach etwa 20 Minuten bereits den Sinkflug beginnt und die morgendlichen Lichter der Stadt unter uns auftauchen.

Die Zeit in Glasgow ist bunt, neu, aufregend, Kraft gebend und lustig. Die Stadt ist geschmückt mit allen erdenklichen Weihnachtsdekorationen und leuchtet auch Nachts taghell. Grauer Himmel und leichter Regen dominieren – bis wir den kleinen Weihnachtsmarkt in der Mitte der Stadt entdecken. Nach dem ich Vinícius in die Geheimnisse des Glühweins eingeweiht habe und wir uns angetrunken einen ganzen Haufen ganz-unbedingt-notwendig-ohne-überleben-wir-nicht-Süßigkeiten kaufen, beginnt es zu schneien – und ich bin im Weihnachtshimmel.

Und mal wieder entscheidet sich die bunt geschmückte Zeit schneller zu vergehen, als normalerweise und wir rennen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, damit die kurze Zeit auch ja anständig genutzt wird. Bis wir auf den riesigen Schwingen der vegangenen Zeit zurück zum Flughafen fliegen.

Doch dort wird klar, warum es diesmal Glasgow sein sollte. Der Sturm über dem Meer lässt die Fluggesellschaft unseren Flug streichen und wir stecken in Schottland fest. Die nächsten freien Plätze warten auf uns in einer Maschine in drei Tagen. Und nachdem die erste Aufregung vorbei ist, wir einen Platz zum Schlafen unser Eigen nennen und Vinícius von seiner Arbeit Urlaub bekommen hat, nachdem er ihnen klar gemacht hat, dass er zwar vieles kann, über das Wasser laufen aber nicht dazugehört, wird die Zeit wieder langsamer. Wir schauen uns an – und sind ganz ruhig. Was sollen wir auch anderes tun? Einfluss auf das Wetter haben wir nicht. Was, außer Akzeptanz, steht uns denn zur Verfügung?

Den Rest des Tages liegen wir einfach nur im Bett, bestellen Pizza und reden bei einer Flasche Rotwein über vieles noch nicht Gesagtes und füllen die Zeit mit etwas viel wichtigerem, als Sightseeing: mit uns. And den nächsten Tagen sind wir einfach nur zusammen unterwegs und tun all die Dinge, die wir wegen angeblicher Unwichtigkeit ausgelassen hatten. Wir fahren Schlittschuh und Kettenkarussell („Das kann man ja auch ein anderes Mal noch machen“), wir sitzen stundenlang bei Kaffee und heißer Schokoloade und lesen („Zeitverschwendung“) und laufen redend durch unbekannte Straßen, unsere Füße dem Schicksal überlassend („Da gibt es doch nichts zu sehen“).

Im Nachhinein, war die Extrazeit, die wir von unserem Lieblingssturm geschenkt bekommen hatten, um einige Level besser und wertvoller, als die Zeit, die wir bewusst „genutzt“ hatten. Wir bekamen eine zweite Chance. Wie so oft hatten wir die ersten Tage vollgestopft mit Sehenswürdigkeiten, draußen im Regen durch die grauen Gassen laufen und hatten uns verloren in den nächtlichen Aktivitätsmöglichkeiten, unter denen keine dem entsprach, was wir wirklich wollten. Und warum? Weil man das halt so macht! Immer müssen wir unsere Zeit „nutzen“. Produktiv sein. Den Geist nähren. Die Augen offen halten. Ja, keine Zeit verschwenden. Immer in Bewegung bleiben. Rennen. Laufen. Hetzen. Und wozu? Nur um später mal nicht davon erzählen zu können, da wir unter der unbewegenden und monotonen Menge alles vergessen haben? Hängen bleibt: In Glasgow regnet es die ganze Zeit, der Weihnachtsmarkt ist zu klein, das Museum zu groß und die Straßen sind sehr unterschiedlich grau.Bei dem Versuch unsere Zeit zu füllen, haben wir sie geleert und ihr die Bedeutung genommen. Denn die wirklich wertvollen und wertfüllenden Momente waren warme Herzen trotz winterlicher Kälte und leuchtende Gesichter auch in Abwesenheit der Sonne. Wir sollten aufhören unsere Zeit zu nutzen und anfangen sie zu füllen.

Zeitraffer.

Noch immer Dezember.

Zu Weihnachten fahre ich nach Hause. Weihnachtszeit ist Familienzeit. Es ist wunderbar und gleichzeitig irgendwie anders. Ich weiß, dass ich nach drei Wochen wieder zurück ins Grüne fliegen werde und fühle mich ein wenig, wie auf der Durchreise. Und trotzdem wird es wieder ein warmes und wunderbares Weihnachtsfest voller Gesang, Liebe und natürlich Plätzchen, Plätzchen, Plätzchen.

Ich vergesse, dass in Glasgow gelernte und versuche meine Zeit so voll, wie möglich zu packen, damit ich so viele geliebte Menschen sehen und besuchen kann, wie es geht. Mit einigen ist diese Zeit auch wirklich auf das wärmste gefüllt und ich nehme diese Zeiten in meinem Herzen nach Hause. Mit anderen ist gerade einmal eine schnelle, etwas mehr oberflächlichere Begegnung möglich, was aber ebenfalls okay ist. Wenn ich längere Zeit weg bin, erwarte ich immer, dass sich, bei meiner Rückkehr alles verändert hat. Doch tatsächlich habe ich mich verändert und muss nun von neuem ausloten, was eine Verbindung aus Gewohnheit und wo ein Seelenkern vorhanden ist. Wir sollten uns Zeit nehmen, uns selbst und andere immer wieder neu kennenzulernen. Und manchmal muss man auch prutal ehrlich sein. Und wenn es nicht mehr passt, ist es vielleicht Zeit die Güter aufzuteilen und an der Weggabelung Adé zu sagen. Denn Leben ist Veränderung. Nicht gut oder schlecht. Einfach eine Tatsache. Und auch das ist in Ordnung. Denn keine Verbindung ist je vertane Zeit. Und wenn man doch irgendwann verschiedene Wege geht, dann ist das so normal, wie der nächste Atemzug und eine weitere Perle in der Erfahrungsschatzkiste.

Doch viel zu schnell ist auch diese Zeit wieder vorbei und ich sitze im Flugzeug nach Dublin, wo mich eine weitere Seelenverbindung vom Flughafen abholen will.

Zeitraffer.

Februar.

Das Geld, welches ich von meinem alten Job bekommen habe, geht langsam zur Neige und ich mache mir Gedanken darüber, wo die nächsten Scheine und Münzen herkommen könnten. Zurück in meinen alten Job will ich nicht. Ich will etwas machen, was mir Freude bereitet. Ich werde meine Zeit nicht mehr mit leeren Dingen verschwenden. Ich denke aber auch gleichzeitig an einen Job, der schnell zu verstehen ist und auch nur zeitweise ausgeführt werden kann. Die Arbeit in einem Café kommt mir in den Sinn, aber irgendwie will ich auch keine Kellnerin sein. Da zeigt sich mir die Lösung in einer Tasse direkt vor mir. Kaffee. Ich liebe Kaffee. Warum nicht auf etwas setzen, in dem ich die Begeisterung über längere Zeit aufrecht erhalten kann und mich gleichzeitig mit dem notwendigen ausstattet: Kaffee for free. Also springe ich mal wieder.

Nach einem Barista-Tageskurs, nach dem ich zu 89% aus Koffein bestehe, da ich versucht habe, all den Kaffee zu retten, der sonst für Übungszwecke im Abfluß gelandet wäre, bewerbe ich mich online für zwei Plätze und werde promt auf ein Interview eingeladen. Eine Woche später habe ich einen neuen Job – als Barista. Die Arbeit ist klasse und ich erkenne mal wieder, wenn ich etwas verändern will, muss ich manchmal springen ohne zu wissen, wo ich lande. Ich behalte mein Vertrauen und was für mich gedacht ist, wird mich finden sobald ich bereit bin, mich zu zeigen. Das nächste Mahl ist gerettet.

Zeitraffer.

Die Arbeit macht noch immer Spaß. Umso mehr, desto genauer ich die Menschen, die das Team ausmachen, kennenlerne. Bald weiß ich anhand der Gesichter, welche Form des koffeinhaltigen Heißgetränkes sie zusichnehmen und weiß, ob eine Frau, Freundin, Freund, Kinder oder Hunde das Zuhause füllen. Mit einigen verstehe ich mich sogar so gut, dass Freundschaften entstehen oder wir uns jedes Mal in tiefgründigen Gesprächen verrennen, die nur durch die drängende Pausenzeit beendet werden können. Ich fühle mich immer sicherer, bin manchmal sogar ganz allein für die Kaffeebar zuständig und genieße diese Verantwortung zunehmend. Und ich habe nicht einen einzigen quälenden Traum über meine Arbeit über die gesamte Zeit.

Außerdem kommt es mir sehr zugute, dass es sich hierbei nur um einen Teilzeit-job handelt, denn, obwohl die Bezahlung mein Konto nicht unbedingt sprengt, so habe ich doch Zeit für mich, die Dinge, die ich liebe und die Freunde, die mich am Anfang des noch jungen Jahres aus Deutschland besuchen kommen.

Und wieder wird mir, auch ein wenig schmerzlich, bewusst, wie groß der Gefühlsmäßige Unterschied zwischen neuen und alten Freundschaften sein kann. Ich vermisse diese Menschen, die mich über mehrere Jahre begleitet haben, bei denen ich sein kann, wie ich bin, ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen, ob ich bestimmte Dinge jetzt sagen kann oder nicht oder wo ich all meine verschiedenen Seiten und Gefühlszustände zulassen kann und weiß, dass mein Gegenüber damit umgehen kann. Das Neue ist auch spannend und gibt mir viel, aber etwas Vertrautes ist wie nach Hause kommen und ein sicherer Rahmen, gibt den Nerven Ruhe. Und die drei Damen, die mich Anfang und Ende Februar, April und Mai besuchen kommen, sind alles andere als bloßes Aufarbeiten von Vergangenem und Zukünftigen – mit ihnen geht es um eine qualitative Gestaltung des Hier und Jetzt und um das wertgefüllte Gemeinsame. Ob es wunderbare Parties sind, stundenlange Gespräche bei einer Flasche Wein am Strand oder der Besuch Europas größten Parks, wo wir einen netten älteren Herrn treffen der uns spontan herumfährt, und die Rehe, exotischen Vögel und Geschichten zugänglich macht und uns mitnimmt in seine Verschwörungstheorienreichen Gedanken. Diese Zeit mit ihnen gibt mir so viel und ich finde eine wunderbare Balance zwischen Neuem und Alten. 

Zeitraffer.

Die Zeit fliegt mal wieder und nimmt mich auf ihren Schwingen mit. Und da Bilder manchmal mehr sagen, als Worte, hier eine kleine Gallerie.

Immer wieder wandern von Brey nach Greystones – weil es einfach so wunderschön ist
Atemberaubende cliffs of moher
Sonnenuntergang am St. Patrick`s Day
St. Patrick`s Affen
Glendalough auf neuen Wegen
Letztendlich hoch genug um Eis und Schnee zu spüren
Und noch einmal der wunderschöne Wicklow Way
Auch hier kommt der Frühling – manchmal auf den Schwingen einer Taube
Bunte Nächte
Immer wieder Dublins Straßen
Kalte Nächte
Die Botanischen Gärten im Frühling
Enjoy every moment
Sonniger Nachmittag am Malahide Castle
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Selbstbelohnung im „Dog House“ in Howth nach einer 5 Stunden Wanderung
Kreative Köpfe erwecken müde Herzen
Wertvolle Zeit mit dem eigenen Geist und Herzschlag
Nacht auf dem Vantastival in Drogheda
Die guten Menschen sind überall
Die Musik erfüllt Herz und Magen
Spuren hinterlassen am sommerlichen Malahidestrand

Zeitraffer.

Juli.

Ich teile mir inzwischen mit Vinícius ein kleines Zimmer in einem Haus, nahe des Meeres. Vier Vertreter weiterer Nationen teilen sich das kleine Reihenhaus mit uns und lassen Russisch, Spanisch, Arabisch und Schwedisch durch die Flure hallen. Und so sehr sich mein Geist über die Wortnahrung freut, so stelle ich doch mehr und mehr fest, dass ich einfach kein WG-Mensch bin. Zu viele Dinge über die ich Kontrolle und Verantwortung abgeben muss. Es fällt mir einfach zu schwer die Unterschiede in den Auffassungen über Verantwortung, Sauberkeit und Ruhe einfach hinzunehmen. Ich arbeite daran und versuche gelassener zu sein und bin sehr glücklich, dass es sich mit Vinícius gut zusammenleben lässt, doch weiß ich manchmal nicht, wenn ich mitten in der Nacht von einer Tür geweckt werde, da wir alle unterschiedliche Schlafrhythmen haben, ob ich überreagiere oder ob da wirklich jemand etwas rücksichtslos mit den Türen knallt. Manche Dinge spreche ich an, manche Dinge lasse ich einfach sein. Es ist ja nicht für immer. Und ich habe gelernt auch aus solchen Situationen etwas mitzunehmen. Sie sind keine Verschwendung. Ich lerne etwas in Akzeptanz, Kommunikation und bekomme die Gewissheit, dass ich einfach kein Mensch für Hausgemeinschaften bin. Und das ist doch gut zu wissen für die Zukunft.

Hinzu kommt, dass ich anfange meine Reise entlang des Wild Atlantic Way im Westen Irlands zu planen und meine Gedanken eh woanders sind. Ich kaufe Dinge, die ich noch brauche, schreibe Listen und kündige meinen wunderbaren Job für Anfang August. Es wird immer einfacher solche Dinge einfach loszulassen. Ich habe das unumstößliche Vertrauen, dass sich etwas neues bieten wird sobald es soweit ist. Und auch, wenn ich diesen Job wirklich mochte, so war es von Anfang an nichts für die Ewigkeit. Also, lasse ich auch das gehen und konzentriere mich auf meine Vorbereitungen.

Es ist unbescheiblich, wie sehr Vinícius mich in allem unterstützt: mental, gefühlsmäßig und ebenfalls finanziell. Es fällt uns beiden nicht leicht, dass wir uns eine Weile nicht sehen werden und doch fühle ich mich unsagbar frei, genau die Dinge zu tun, die ich tun will und die mich rufen. Das Vetrauen ist groß und die Basis den anderen fliegen zu lassen ist stark.

Zu meinem Geburtstag schenke ich mir selbst eine Reise nach Deutschland und überrasche meine Mutter und meine Schwester am Ostseestrand. Die Freude und die Gefühle sind groß und finden in Umarmungen, lachen, weinen, springen und genießendem schweigen Ausdruck. Auch Vinícius begleitet mich auf meiner Reise und macht gleichzeitig seine erste Camping-Erfahrung. Als ich mir ein Leben ohne Camping gar nicht erklären kann, argumentiert er mit der Hitze und den unsicheren Gegenden in Brasilien und ich werde mal wieder darauf hingewiesen, dass es so viele Lebenswege, wie Menschen gibt und nur weil jemand nicht meinen Weg geht, heißt das nicht, dass es der falsche ist.

Die Zeit im Paradies vergeht mal wieder viel zu schnell und die Landschaft der letzten Radtouren, faulen Tage und neuen Erfahrungen rast nur so an uns vorbei, als wir im Bus zurück zum Flughafen sitzen. Aber wir sind uns beide sicher: das war nicht der letzte Besuch.

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Bild von mohr feeling

Zeitraffer.

August.

Ich stehe in meinem Zimmer. Vor mir der überfüllte Rucksack. In mir Gefühlschaos. Morgen geht es los. Meine Reise. Meine Zeit. Meine Freiheit. Die Idee diese Reise zu unternehmen, war einer der Gründe weswegen ich nach Irland kam. Die Vorstellung saftiger, gründer Wiesen, des rauschenden Meeres an der Küste und wilder, musikalischer Pubabende ist ein großer Anteil meiner Entscheidung Deutschland zu verlassen, zu zuschreiben. Und doch war es immer nur eine verrückte Vorstellung. Ein wilder Traum. Aber habe ich mit der Reise auf die grüne Insel auch gelernt, mir meine Wünsche zu erfüllen und meine Träume zu leben. Das Leben ist da. Ich muss es mir nur nehmen. Es zulassen. Dann ist alles möglich.

Kurz habe ich den Gedanken, dass ich das schon eher hätte machen sollen. Eher losgehen. Mehr Zeit einplanen. Aber ich weiß auch, dass die Zeit vorher einfach noch nicht reif war. Das Wetter war zu kalt. Ich war noch nicht soweit den geplanten Schritt zu gehen. Ich hatte kein Geld um mich ein wenig abzusichern. Und selbst, wenn ich das Gefühl habe, dass ich hauptsächlich durch die letzte Zeit und nicht in ihr gelebt habe, so sehe ich auch ganz deutlich, dass die Person, die jetzt vor diesem Rucksack und dem in ihm steckenden Abenteuer steht, nicht die gleiche Person ist, die vor einem halben Jahr eine Ausbildung zur Barista gemacht hat. Die Person in diesem Zimmer ist so viel reicher an Erfahrungen, an Geschichten, Selbstvertrauen und Liebe. Diese Person hat viele Tränen vergossen, die sie von alten Wunden befreit haben und Fragen beantwortet, die zu viel aktuelleren Fragen geführt haben. Diese Person hat viel verloren und noch mehr gewonnen. Sie hat gelernt noch mehr zu vertrauen und noch aktiver loszulassen. Sie steht mit sich selbst in Kontakt und ist bereit noch tiefer zu schauen. All die vergangene Zeit hat ihre Spur hinterlassen, etwas verändert, etwas verstärkt oder etwas gelehrt. Auch wenn das nicht sofort ersichtlich ist, so ist jeder Moment den wir (er)leben wertvoll und birgt die Möglichkeit einer Erfahrung; negativ oder positiv bewertet spielt dabei keine Rolle. All diese Momente haben die Februar-Person zu einer August-Person gemacht. Sie haben sie dorthin gebracht, wo sie jetzt ist. Und ihr all das mitgegeben, was sie braucht.

Und jetzt ist sie bereit den nächsten Schritt zu gehen. All die kommenden Momente zu leben und zu ehren. Bereit das nächste Kapitel zu schreiben.

Und dieses beginnt jetzt.

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