Oh If I listen to my heart,
Will it lead me through the dark like a compass?
And if I listen to my heart,
Will it bring a little spark to this cold blood?Uh
Yeah I’m lost, lost,
Uh
But I won’t stop, no I won’t stop, no no.I will find my place,
Yeah I will find my way,
Through the maze,
Through the maze,
Through the maze.These walls are filled with rage,
But I will find my way,
Through the maze,
Through the maze,
Through the maze.The smoke is clearing now,
And all the fears come tumbling down.Michael Schulte
Oktober. Ich sitze am Busbahnhof „Busaras“ in Dublin und warte auf den Bus aus Galway. Der lässt leider auf sich warten. Ich schaue mich in der großen Halle mit ihren Bänken, Schaltern und Coffeeshops um und lese die Namen über den Türen hinter denen sich die Reisenden ordentlich und ohne Zweifel an der Reihenfolge einreihen. Cork. Galway. Belfast. Ich spüre, wie es mich auf die Reise zieht. Unbekannte Gegenden sehen. Neue Menschen kennenlernen. Und mir selbst näher kommen. Doch dies muss warten. Aus gutem Grund. Und dieser Grund kommt gerade auf mich zugerannt. Meine Schwester! Wir fallen uns in die Arme und lassen uns so schnell nicht wieder los. Ihre Anwesenheit ist so irreal und gleichzeitig so ungewohnt intensiv, dass mir die Tränen kommen. Plötzlich treffen meine beiden Lebenswelten aufeinander und das Gefühl, endlich wieder mit einem Menschen zusammenzusein dem ich keine Rechenschaft über mich selbst schuldig bin und mit dem ich mich so verbunden fühle, ist unglaublich wertvoll.
In den darauf folgenden Tagen fühle ich mich seit langem wieder einmal wie die große Schwester und genieße dies sehr. Ich kann ihr neue Dinge erzählen und sie tief in meine neue Welt mitnehmen. Die Gespräche sind tief und ehrlich und ich genieße jede Sekunde. Ich zeige ihr den besten Cheesecake in der Stadt, bringe sie zum Ukuleletreffen in ‚Stag’s Head‘ und stelle sie ein paar meiner Freunde vor.
Unbeschreiblich, wie die Jahre als Kinder noch einmal an mir vorbeiziehen. In einem meiner hundert Fotoalben finde ich den Spruch „Zusammen zu eng, getrennt zu langweilig“. Und so war es definitiv. Der große Altersunterschied hat es uns nicht immer leicht gemacht, zusammen zu sein. Als sie alt genug war, um wirklich etwas mit ihr zu unternehmen, war ich bereits in der Schule, fühlte mich groß und hatte ganz andere Dinge im Kopf. Unterstützt wurde dies vielleicht dadurch, dass ich sehr früh die Große sein musste. Und als ich alt genug war um wieder zur Vernunft zu kommen, war sie tief in der wichtigen Identifizierungsphase der Jugend und brauchte keine große Schwester mehr. Doch umso älter wir wurden, desto unwichtiger wurde genau dieses Alter. Und ich erkenne, dass wir, trotz der vielen Unterschiede, ebenso viele Verbindungen haben. Ich sehe nun, was ich von ihr lernen kann und konnte und hoffe, dass auch ich ihr manchmal neue Einblicke verschaffen kann. Und wenn ich diese tolle junge Frau hier vor mir sitzen sehe, sehe ich nicht nur eine meine besten Freundinnen, ich sehe meine Schwester! Und um noch ein wenig kitschiger zu werden: Sie ist eine der Personen, die ich hier wirklich am meisten vermisse.Ukulele Tuesday


Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich es sein kann Menschen in sein Leben zu lassen. Manche geben einem das Gefühl, dass sich etwas an einen klebt und wie die Energie langsam aus einem heraus rinnt. Die Zeit mit diesen Menschen kann dennoch schön und lustig sein und oft spürt man es erst, wenn diese Menschen wieder gehen. Es ist, als ob man endlich wieder frei atmen kann. Mit diesen Menschen, sind selbst zwei Tage gemeinsam in einem Haus zu viel. Und mit anderen wiederrum kann man exakt die gleichen Dinge tun und mehrere Wochen auf engstem Raum zusammenleben und das Gefühl von Enge will sich nicht einstellen. Aber ich kann noch nicht genau ausmachen, was es ist, was die Zeit teilweise trotzdem mit lieben Menschen so anstrengend gestalten kann. Bin ich es, die, angeregt durch die anwesende Person, viele Prozesse durchlebe und dadurch Energie verbrauche oder gibt es wirklich Menschen, die einem, gewollt oder nicht, stückweise etwas Energie absaugen? Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es immer Menschen gibt, die gut und manche auch besser zu einem selbst passen. Ich finde, es könnte ein gutes persönliches Ziel sein, sich viel mehr nur mit diesen Menschen zu umgeben, die einem das Gefühl von Freiheit auch bei viel Nähe geben und bei denen man einfach nur man selbst ist.
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich meine Schwester weniger Tage später, früh um vier und nach drei Stunden Schlaf, zum Bus bringe der sie bis vor die großen Türen des dubliner Flughafens fahren soll. Die Zeit mit ihr ist so unglaublich schnell vergangen und ich habe die Verbindung meiner beiden Lebenswelten sehr genossen. Als der Bus an mir vorbei fährt, kullert eine kleine Träne und gleichzeitig spüre ich, dass ich durch die Zeit mit ihr etwas Energie dazugewonnen habe.

Seit dem der Gedanke an Kraft gebende Menschen in meinem Kopf in die Dachgeschosswohnung mit der Fensterfront eingezogen ist, spüre ich noch deutlicher, welche Menschen mit mir in einem Rhythmus schwingen und wer mich aus dem Takt bringt. Die Tage auf Arbeit sind anstrengend durch Menschenunwürdige Überstunden. Doch retten mich die Zeiten mit der Natur und den energetisierenden Menschen davor, nicht komplett zusammenzuklappen. Und die Wochenenden sind angefüllt mit Ereignissen die es wahrlich verdienen dauerhaft in die positiv besetzten Erinnerungen aufgenommen zu werden.
Zwischendurch werde ich krank. Erkältung. Natürlich. Langweilig und trotzdem umhauend. Durch die Unvernunft, trotz Halsschmerzen, Dienstags zum Ukulelespielen zu gehen, verliere ich meine Stimme komplett. Mein Körper sagt mir nun für mehr als eine Woche, dass ich doch mal die Klappe halten und lieber zuhören soll. Aber ich habe keine Lust. Ich habe zum ersten mal wirklich Lust, mich auszudrücken, preiszugeben, zu zeigen. Und mein Körper will mir das versagen? Niemals. Natürlich weiß auch, dass es ebenfalls eine Zeit ist, in der ich mehr als sonst auf mich selbst hören sollte. Die vielen Veränderungen, Ereignisse und Entwicklungen machen sich durch hundert verschiedene Stimmen bemerkbar, die ich durch meinen Alltag abdämpfe um nicht komplett aus der Bahn geworfen zu werden. Aber ich will einfach nicht auf die Vernunft hören. Das tue ich schon mein ganzes Leben. Also folge ich, gegen aller Vernunft, am 31. Oktober der Einladung zu einer Halloweenparty. Bei dieser Feier kenne ich gerade einmal eine Person. Aber ich habe ja Lust mich zu zeigen. Also, warum nicht? Augen auf und durch.
Die Party findet in einem kleinen Haus im hinteren Bereich eines hinteren Bereiches eines Außenbezirks von Dublin statt. Klein, gemütlich und feminin. Das kleine Haus der vier Frauen, ist bis zum Platzen mit Menschen gefüllt und läd mich ein, das erste Halloweenfest meines Lebens zu feiern.
Mal wieder holt mich ein altes Muster ein. Voller schrecklicher Vorahnungen sehe ich mich bereits allein auf der Party stehen, keiner redet mit mir, da mich keiner kennt und ich fühle mich, wie ein bestelltes, doch leider nicht abgeholtes Päckchen.
Aber ich habe ja gelernt, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehmen muss, wenn ich etwas will. Wenn also keiner mit mir redet, rede ich eben mit jedem. Und die anfängliche Sorge verfliegt ziemlich schnell nachdem ich von einer, mit Klopapier umwickelten, Mumie und der dazugehörigen Hexe begrüßt und zum Bierstand in der Küche gezogen werde.
Der Abend wird immer lustiger; proportional zum schwindenden Biervorrat. Und doch merke ich, dass mir meine Heißerkeit bald einen Strich durch die Rechnung machen wird. Die vielen bedrunkenden Monster, angeheiterten Hexen und wankenden Mumien schreien gegen die, aus den Lautsprechern dröhnende, Musik an und meine Stimme versagt immer mehr. Ich weiß nicht, was es ist mit den Iren und ihrer Musik, aber irgendetwas verleitet sie alle Anlagen immer komplett aufzudrehen. Auch in Pubs, Restaurants, Bars oder bei Life-Konzerten: Volle Lautstärke. Ich kann mir nicht vorstellen, dass „Tontechniker“ überhaupt ein Beruf in Irland ist. Das Rad bis zum Anschlag aufdrehen kann ich auch. Tip von mir: Ohrenstöpsel ins Gepäck!
Normalerweise habe ich meine Techniken, meine Stimme zu schonen, aber heute funktioniert auch das nicht mehr. Mit meiner tiefen und rauchigen Reststimme, mit der ich locker Tina Turner Konkurrenz machen könnte, erkläre ich, dass ich zurück in die Stadt gehe und zum Reggae Fever in Sweeney’s Pub tanzen werde; da kann ich wenigstens den Mund halten.
Der als Fee verkleidete Brasilianer, mit dem ich die letzten Stunden Konversation bestritten habe, überredet in einem Anflug von „Ich kann Rhetorik“, fast jeden auf der Feier, mich zu begleiten und die Party einfach zu verlegen. Eine Stunde später, genieße ich die hämmernden Bässe und die schwingenden Melodien aus den Lautsprechern und lasse die Töne meine inneren Monologe und Gedanken übertönen.
Während des Tanzens werde ich diverse Male angesprochen, ob ich nicht mit dem Fragesteller tanzen möchte. Ich lehne ab und denke, dass die irische Art vielleicht ein bisschen aufdringlicher ist, als die deutsche, diese mir allerdings auch die Chance gibt, nein zu sagen, wenn mir danach ist. Am Rand stehend werden in Deutschland sehr oft hauptsächlich zweideutige Blicke quer durch den Raum geworfen, die es einem wirklich erschweren, entspannt zu tanzen. Mich persönlich veranlasst dieses Verhalten eher das Interesse zu verlieren und mich in die Menge zurückzuziehen um das Blickfeld wieder freizugeben. Ein klassisches Beispiel der direkten und indirekten Kommunikation. Wenn ich die direkte Frage bekomme, ob ich zu einem Tanz bereit wäre, habe ich die Möglichkeit auch ’nein‘ zu sagen. Ich weiß was er will, er weiß was ich will und das Thema ist gegessen. Anders die indirekte Art. Man weiß nicht genau was die andere Person denkt, will oder ob man selbst mit den Blicken überhaupt gemeint ist. Das ist verwirrend und ungemein ablenkend und trägt in meinem Fall gewiss nicht einer Kontaktaufnahme bei. Fast erscheint mir die indirekte Art und Weise noch aufdringlicher, da der Gegenüber irgendeine Reaktion erwartet ohne diese zu nennen und es einem sehr viel schwerer macht zu reagieren. Nur muss hierbei kein direktes ’nein‘ akzeptiert werden, und das ist wohl der alles entscheidende Teil. Natürlich sehe auch ich, dass Blicke quer durch den Raum etwas aufregendes haben können, doch ich muss mich dann fragen, was ich denn letztendlich will: Traumgebilde in meinem Kopf oder wirklich jemanden zum tanzen?

Als Folge der Gefühle und Gedanken die ich gegenüber meiner Arbeit hege, da es mir nicht erlaubt ist über Weihnachten Urlaub zu nehmen und aus familiären Gründen die mir deutlich machen, dass ich eine Zeit lang mit meiner Familie sein sollte, kündige ich Ende November. Ich will Ende Dezember nach Hause und die Weihnachtszeit ungehindert genießen. Als ich die Kündigungsemail an meinen Manager verfasse, lässt sich der Mauszeiger nur schwer auf den Senden-button schieben. Dies ist meine erste Kündigung ohne zu wissen, wie es danach weiter geht und ich spüre die möglichen Konzequenzen. Die Kündigung entlässt mich in ein Meer von Unsicherheiten und Fragen. Geldfragen. Zukunftsfragen. Richtigkeitsfragen. Und Zweifel an mir. Natürlich habe ich meine Gründe diesen Job zu verlassen und doch kommt die Frage auf: Bin ich nur feige? Renne ich weg? Ist es vielleicht falsch und ich sollte mich lieber der Herausforderung stellen? Beinahe erstelle ich eine Pro- und Kontraliste nach Rorys Vorbild, doch das wäre eine rationale Entscheidung. Und ich weiß ja inzwischen, dass ich allein damit keine Zufriedenheit erlangen werde. Zudem würden Punkte, wie “Geld” oder “schlechtes Gewissen gegenüber dem Team, wenn ich gehe” mehr wiegen, als Punkte wie “Ich muss nicht mehr früh aufstehen” und die Entscheidung wäre damit keine Mehrheitsfrage mehr. Doch letztendlich ist der Grund eher zu beschreiben mit: “Ich bin mit der Arbeit und den dazugehörenden Umständen nicht glücklich“. Und sollte das nicht Grund genug sein? Will ich meine wertvolle Lebenszeit, auch wenn es nur ein paar Monate sind, wirklich damit verschwenden etwas zu tun, was ich eigentlich gar nicht will?
Und dann verlässt eine gute Freundin weinend das Büro. Bei einem Spaziergang um den Block, erzählt sie mir, dass sie zwei der Menschen kannte, die bei den Anschlägen in Paris ums Leben gekommen sind. Plötzlich sind die Ereignisse nicht mehr nur hinter den Glasscheiben der Fernseher. Hier zeigen sich mir die wahren Auswirkungen. Und die Französin weint. Weint aus Trauer, Angst, Wut und Hilflosigkeit. Und ich kann sie nur in den Arm nehmen. Und auch finde ich eine Antwort auf meine Frage: Will ich etwas tun, was mich nicht glücklich macht? Und die Antwort ist Nein. Ich kann nicht wissen, was noch vor mir liegt, aber genau aus diesem Grund kann ich auch nicht wissen, wann der Zeitpunkt da ist an dem gar nichts mehr vor mir liegt. Mein Weg kann von jetzt auf gleich zuende sein. Und ich werde meine Zeit nicht in Büroräumen verbringen in denen ich nicht glücklich bin. Mein Vertrauen wird aus der angestaubten Alltagskiste gezogen, schüttelt die Spinnweben ab und sagt: „Los!“
Und ich schicke die Email ab.
Und entgegen meiner eigenen vorwurfsvollen Vorstellungen, sind alle im Team mehr als verständnisvoll und ich werde mit Torte, Rede, Abschiedskarte, Büchergutschein und vielen Umarmungen verabschiedet. Und wieder einmal muss ich die Lektion aufschlagen, dass ich keine voreiligen Schlüsse darüber ziehen sollte, was andere eventuell denken und wie sie vielleicht reagieren würden. Und die Vorstellung von Unverständnis und Vorwürfen kam nur aus meinem Inneren, wo ich mir zwar sicher war, längerfristig die richtige Entscheidung getroffen zu haben, aber die damit verbundenen Ängste noch immer lautstark auf sich aufmerksam machten. Ich selbst machte mir Vorwürfe mich selbst in diese Unsicherheit zu entlassen. Deswegen erwartete ich Vorwürfe der anderen. Keep calm. Bleib ganz ruhig. Ich kann nicht wissen, wie es wird. Tue es und finde es heraus.
Ungewissheit ist nur in meinem innern. Ich habe die Frage gestellt, warum, trotz Arbeitsalltag, ich nicht in stumpfsinnige Langeweile verfalle. Vielleicht bin ich meinem Inneren gegenüber nicht mehr abgestumpft. Ich entdecke ganz neue Seiten an mir, mein Blick auf mich und die Welt verändert sich und durch des Abwerfens des dicken Schutzpanzers können ganz andere Seiten zum Vorschein gebracht werden. Dass ich das ganze Leben um mich herum so stark wahrnehme liegt nicht daran, dass es hier mehr zu entdecken oder zu erfahren gibt. Es liegt nicht an der Musik, an den Menschen oder der Landschaft. Es liegt ganz einfach an mir. An meinem Inneren. Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Warum sollte ich dahin zurückgehen, in dem das Leben stumpf und schwach werden kann? Warum sollte ich einen Ort verlassen, der vor Leben nur so strotzt? Aber die Wahrheit ist: Es ist egal wo ich bin. Wichtig ist, wer ich bin und was ich aus meinen Momenten mache. Dublin gibt mir die Gelegenheit neue Seiten an mir zu entdecken, doch existieren diese Seiten schon in mir und ich kann sie überall mithinnehmen. Wenn ich in an einem Ort nicht glücklich bin, kann ich den Grund dafür in mir selbst suchen. Und wenn einfach das Umfeld nicht mit mir in einem Rhythmus schwingt, steht es mir frei woanders hinzugehen. Dass ich mich in Dublin wohl fühle liegt daran, dass ich mich in mir selbst inzwischen wohler fühle. Und das ist ein unendlich befreiender Gedanke. Denn nun steht mir wirklich die gesamte Welt offen. Sobald es keine Rolle mehr spielt, wo ich bin, bin ich überall richtig. Natürlich bin ich an diesem Punkt noch nicht angelangt, aber ich arbeite daran. Und ich sehe deutliche Entwicklungen. Diese Freiheit ist mehr, als nur das Meer und alle anderen Orte dieser Welt. Ich habe die Freiheit zu tun, was ich möchte und was in meinen Möglichkeiten steckt. Ich kann sein, wer immer ich will. Und es ist genug, wenn nur ich dafür kämpfe ohne auf Bestätigungen zu warten. Ich bin frei zu vergessen, was mir andere erählt haben, wer ich sein sollte.
Und ich werde, wer ich wirklich bin.



